Kennt Ihr so Typen, die ihren Fahrzeugen Namen geben? Ich, Uwe, 51 Jahre "jung", KFZ- Schlosser und eigentlich ganz bodenständig, bin so einer. Meine bessere Hälfte Ines ist ein paar Lenze jünger als ich (aber nur so viele, dass es nicht peinlich wird


Irgendwann vor vielen Jahren hatte ich mal erwähnt, dass ich mir zum 50. ein fahrendes Sofa (Entschuldigung, so hab ich es wirklich genannt) anschaffen werde: Eine K1200 LT. Keine Ahnung, wie ich das erklären soll. Kennt Ihr das, wenn man sich unsterblich in ein Mädel verliebt hat, das in den Augen der meisten Freunde ein paar Pfunde zuviel auf den Rippen hat und auch sonst überhaupt nicht zu einem zu passen scheint- und trotzdem weiß man, DAS ist die Richtige? Genau so ging es mir mit der LT. Im normalen Leben hab ich mit Autos zu tun, und auch da wenig mit BMW. Meine Motorraderfahrungen gehen weit in die Achtziger zurück, und mit dem Autoführerschein waren 4 Räder einfach attraktiver. Das blieb so, bis ich vor ein paar Jahren eine 350er JAWA von 1959 angeboten bekam- und mit ihr wieder der Motorradvirus ausbrach. Ja, ich weiß, für die meisten wird das noch nicht mal als Motorrad betrachtet- in unserer Gegend im Dreiländereck Polen/Tschechien/Deutschland löst man mit einem solchen Gefährt ein Lächeln und hochgereckte Daumen aus- viele träumten damals von so einer Maschine. Egal. Mein 50. kam und verging, und irgendwie hatte bisher immer die Vernunft gesiegt- zu groß, zu teuer, Du hast doch einen Haufen Oldtimer, die auch gefahren werden müssen... All solche "Argumente", die ja auch irgendwie stimmen. Tja, und dann kam SIE: Die sprichwörtliche "graue Maus", die jeder übersehen hat, die sich nie in den Vordergrund drängte und einfach so da stand- in den Kleinanzeigen. Vielleicht versteht jemand, dass nicht ich sie gefunden habe, sondern sie mich. Es passte plötzlich alles: Aus Erstbesitz, knapp über 50 tkm, MÜ- Modell (weil Xenon absolutes Muss war), und der inserierte Preis war angemessen. Ich hab also eine Mail geschrieben (telefonisch wollte ich zum Sonntag nicht stören) und dachte, wenn ich binnen einer Woche keine Antwort bekomme, soll es halt nicht sein. Keine Viertelstunde später klingelte mein Telefon, und ein richtig netter Vermittler (der eigentliche Verkäufer musste sich aus gesundheitlichen Gründen von seiner LT trennen) erzählte mir alles, was ich über die Maschine wissen musste- und vieles ungefragt mehr. Ines lächelte nur, als ich ihr beichtete, mir gerade meinen Traum zu erfüllen. Auch dafür liebe ich sie. Keine Worte. Nur Verstehen...
Zufälligerweise musste ich 2 Tage später ohnehin auf Dienstreise, und so lag es quasi an der Strecke. Was soll ich sagen: DA war sie. Opulent. Lichtgrau-Metallic. Xenon. Navigator. Innentaschen. Faltgarage dazu. Alle Schlüssel. Der Verkäufer konnte nicht glauben, dass ich nicht über den Preis verhandelt habe, obwohl sie offensichtlich in letzter Zeit nicht besonders gut gepflegt worden war: Das Scheinwerferglas ist spröde, die grauen Polster brauchen eine Tiefenpflege, von ein paar Kratzern am rechten Koffer und den Sturzbügeln/ Chromleisten wusste ich auch, die Schaltereinheiten am Lenker sind grau statt schwarz und deren Beschriftung fast nicht mehr zu erkennen. Dazu hat man die hinteren Lautsprecherabdeckungen in dunkelrotem Leder abgesetzt. Alles andere ist grau in grau... ABER: Genau das macht sie besonders, einzigartig. Meine Ellie. Und: Technisch war sie in Schuss. HU neu. Die hinteren Bremsbeläge wurden noch gewechselt, und als ich darum bat, ob es möglich wäre, den hinteren Reifen noch mit zu ersetzen (gegen extra Bezahlung natürlich), machte sich Pepe in die Spur und organisierte auch das noch binnen 3 Tagen (nochmal ganz herzliches Dankeschön, Großer!). Ich nahm die Papiere mit, ließ sie zu und machte mich am darauffolgenden Sonntag wieder auf den Weg- reichlich 700 km quer durch Deutschland in den Schwarzwald. Meine erste Fahrt mit einer so großen Maschine. Mit gehörigem Respekt schob ich sie vom Hauptständer- und erlag sofort ihrer Wucht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Anfängerfehler Nr. 1: Bei leichtem Rechtseinschlag und gleichzeitigem Ziehen der Vorderbremse fällt sie wie von der Axt getroffen nach rechts. Zum Glück war da ein Grasstreifen, so dass es keine Kratzer gab. Lektion 2: Es gibt viel mehr Helfer als man erwartet. Binnen Sekunden waren wir wieder senkrecht und bereit für die große Reise nach Hause. Na gut. Wenn sich knapp 400 kg in Bewegung setzen, ist das irgendwie was völlig anderes, als wirklich ALLES, was ich bis dato gefahren habe. Die ersten Meter waren einfach grauenhaft. Nicht, weil Ellie es nicht versucht hätte- es lag eindeutig an mir. Aber mit jedem Meter wurde es besser, und wenn sie einmal in Fahrt war, zeigte sie ein völlig anderes Wesen. Da gab es nur noch die Straße und Ruhe und eine unschlagbare Straßenlage. Klar ist es anfangs gewöhnungsbedürftig, sich auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten in die Kurve legen zu müssen, aber dafür fährt sie dann auch wie auf Schienen- wenn man den Kraftfluss nicht unterbricht

Trotzdem werde ich an mir arbeiten: Mit einem Fahrsicherheitstraining werde ich mich fit machen- für Ellie und die große Tour, nächstes Jahr in die Pyrenäen. Bis dahin (und darüber hinaus) bin ich dankbar für jeden Tipp, der mir hilft, besser zu werden. Sollte also jemand jemanden kennen, der mir hier in der Nähe (75 km südlich von Dresden) unter die Arme greifen und mir geduldig bei der Beseitigung meiner Fahrfehler helfen kann, wäre ich Euch ungemein dankbar. Und Ellie garantiert auch.
Und so wünschen wir allen genauso Verrückten, Enthusiasten und Unangepassten hier und auf der Straße Allzeit Gute Fahrt und immer ein freundliches Lächeln im Gesicht- bei Euch und all jenen, denen Ihr begegnet. Seid herzlich gegrüßt von Ellie, Ines und Uwe.